Die Pyrenäen, September 2006


Die unvermeidliche Statistik

Reisetage: 24
Übernachtungsorte: 8 (Toulouse, Agen, Bayonne, Tarbes, Pamiers, Ax-les-Thermes, Perpignan. Zusatzort: Beaune)
Fahrtstrecke: 7445 Kilometer
Durchschnittsgeschwindigkeit: 63 km/h
Durchschnittsverbrauch 5,7 Liter auf 100km
Photos: etwa 2.600: Ca. 1.600 analog (44 Farbfilme) und etwas mehr als 1.000 digital
Besuchte Stätten (Städte, Orte, Klöster etc.): 352
Zisterzienserklöster: 33

Ein Pyrenäenbuch

...soll das hier natürlich nicht werden, denn das gibt es bekanntermaßen schon. Also dieses Mal in aller Kürze:

Vokabular

Aus gegebenem Anlaß schlage ich vor, in den Grundwortschatz Französisch respektive in einem relativ frühen Stadium des Französischunterrichts mindestens eine Lektion aufzunehmen, die den Themenkreis "Reifenpanne" aufgreift. Dazu sollte insbesondere folgende Wort- und Satzliste vorhanden sein und vor einer längeren Frankreich-Fahrt gelernt werden: "Reifenpanne", "Drehmomentschlüssel", "Schrauben lösen", "Schrauben rausdrehen funktioniert", "hilft aber nicht, denn", "Rad klemmt auf der Achse und geht nicht ab", "eingerostet oder verdreckt", "wir haben mit vier Mann an dem verdammten Reifen rumgewuchtet, aber das Miststück sitzt fest". Dazu noch weiteres passendes Vokabular aus den zugehörigen Wortfamilien (Auto-Ersatzteile, Fluchen für Fortgeschrittene), damit man dem Gesprächspartner am Telephon die Situation anschaulich schildern kann. Danke jedenfalls an die vier Hotelgäste, die nicht gezögert haben, sich die Finger an meinem Hinterreifen schmutzig zu machen, und danke auch an die netten Männer von der schließlich hinzugerufenen Garage, die mich in Toulouse mit einem neuen linken Hinterreifen ausgestattet haben, der dann die restlichen knapp 6.000 Kilometer problemlos gehalten hat. Deshalb will ich auch gar nicht über den halben auf dem Hotelparkplatz und in der Werkstatt verbrachten Tag meckern; schließlich stand das Auto immerhin in Toulouse und nicht in 2.000 Meter Höhe auf irgendeinem kleinen dubiosen Pyrenäenpaß, wo nicht mal ein Kleinlaster hochdürfte, weil die Straße nur unwesentlich breiter als ein VW Polo ist.

Straßenbreite

Gewarnt wird nämlich in allen Reiseführern vor der Enge in den Gorges du Galamus, wo die Straße teilweise nur zwei Meter breit sei und man deshalb überlegen solle, ob man da wirklich durchfahren möchte. Für Wohnmobile mag diese Warnung angebracht sein, da sich hier die zitierten "zwei Meter" nicht allein auf die Straßenbreite, sondern dank der überhängenden Felsen mehr oder weniger auch auf die Straßen*höhe* beziehen. Ein Wohnmobil mit Wucht da reingesteuert würde in der Tat wie der Korken im Flaschenhals wirken (merke: "bouchon" = "Stau", aber auch "Korken"). Nicht gewarnt wird in den Reiseführern vor der Straße durch das Vallée de la Nive, an der sogenannten Rolandsbresche vorbei, wo die Streckenbreite lustigerweise zwischendurch die Zwei-Meter-Marke auch mal unterschreitet, während man gleichzeitig einem entgegenkommenden Wohnmobil begegnet. Zugegebenermaßen habe ich aber vor Fahrtantritt auch nochmal im Fahrzeugschein die genauen Maße des Volvo nachgelesen... Er paßte. Jedenfalls gut, wenn man sich da nicht festfährt oder eine Reifenpanne hat.

Proteste

In den verschiedenen Pyrenäentälern ist viel auf die Straßen gepinselt. Dafür sorgt nicht nur die Tour de France, von der auf den klassischen Pässen auch nach Jahren noch die Fahrernamen auf der Straße ablesbar sind. Und zwar insbesondere die Namen der französischen Fahrer auch schon vergangener Jahre (Virenque, Jalabert), so daß man den Eindruck gewinnt, daß die nach der Tour durchgeführte Straßenreinigung oder -neuasphaltierung eher selektiv durchgeführt wird. Also so, daß über die Unsympathen-Schriftzüge (Ullrich) dann doch schneller drüberasphaltiert wird. Neben den Fahrernamen auf Aubisque, Tourmalet, Aspin, Portet d'Aspet etc. gibt es dann aber auch noch die spezifisch französische Protestkultur, die allerdings von Tal zu Tal unterschiedliche Angriffsziele findet. Im Tal von Lourdes nach Cauterets hat man sich die TCP (Traversée Centrale des Pyrénées), den geplanten Basistunnel unter den Pyrenäen von 50 Kilometer Länge, als Gegner ausgesucht ("Non à la TCP"). Im Vallespir-Tal kontert man per "Non à la THT" mit Protesten gegen eine geplante Hochspannungsleitung. So weit, so verwechselbar. Der Zorn der restlichen Pyrenäentäler, für die solche Bebauungsmaßnahmen nicht vorgesehen sind und die sich dadurch offensichtlich zurückgesetzt fühlen, richtet sich daher gegen lebende Ziele: "Non à l'Ours": Nein zum Bären, also zum Aussetzen von Bären in die freie Wildbahn, was in den Pyrenäen seit einigen Jahren spanischerseits ganz behutsam gemacht wird. Und falls hin und wieder sogar tatsächlich mal ein Schaf fehlt, kann das natürlich nur der Bär gewesen sein, niemals aber einfach nur der Sturz in eine Schlucht oder sowas. Dabei wäre dieses ganze nervige Straßengepinsel eigentlich gar nicht nötig, wenn sie einfach nur die bajuwarische Methode übernehmen würden: Die Spanier setzen in mühevoller Kleinarbeit drei bis vier Pyrenäenbären aus, und wenn die dann irgendwann mal aus Versehen über die Grenze spazieren, definieren die Franzosen das Vieh schlicht als Problemär und bomben es weg. Das war jetzt einfach. Jedenfalls, spätestens nach dem vierundsiebzigsten "Non à l'ours" auf und neben der Straße nervt das.

Lourdes

ist seltsam. Man kann es sich mal anschauen, aber man muß nicht. Ich fand es sogar etwas weniger schrecklich als erwartet, aber ein Kompliment ist das trotzdem immer noch nicht. Architektonisch ist es ein grandioses Fest für alle, die allerübelsten Baukitsch mögen. Eine ausführliche und anschauliche Beschreibung findet sich im bereits erwähnten "Pyrenäenbuch" bei Tucholsky.

Insgesamt

war's jedenfalls eine beeindruckende Tour mit vielen verschiedenen Landschaften, beeindruckenden Paßstraßen und großartigen Sehenswürdigkeiten. Neben Carcassonne möchte ich vor allem die Katharerburg von Peyrepertuse und den Col du Tourmalet hervorheben. Der Col d'Aubisque ist mit Sicherheit auch sehr beeindruckend, aber dazu müßte man diese Paßstraße möglichst an einem Tag fahren, an dem die Sicht im Bereich der Gipfelhöhe weiter reicht als knappe 2 Meter 85. Bei schönem Wetter allerdings entgeht einem das spannende Erlebnis der Abfahrt mit ähnlich toller Sicht, bei der dann eine Schafherde die komplette Straße blockiert und man zu viert oder fünft im dichten Nebel und Nieselregen die Viecher mit Klatschen und "Allez"-Rufen über die Böschung treiben darf.

Carsten


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